Martinskirchen-Gemeindemitglieder haben die städtische Unterkunft in der Tübinger Allee in Sindelfingen besucht – mit Köstlichkeiten, Trompetenklängen und wärmender Bekleidung. Die Freude war riesig. Kinder der Martinsschule wichtelten für Bedürftige.
SINDELFINGEN. Geteiltes Leid, so sagt man, sei halbes Leid. Geteilte Freude dagegen verdopple sich. Getreu diesem Leitmotiv menschlicher Grundrechenarten haben sich am Sonntag nach dem Gottesdienst am vierten Advent Mitglieder der Martinskirchengemeinde Sindelfingen aufgemacht. Aufgemacht, Menschen „am Rande unserer Stadt“ zu bescheren, wie es Anne Graf beschreibt.
Die Christinnen und Christen waren einem Aufruf von Pfarrer Manuel Hörger gefolgt. Sie hatten Weihnachtsplätzchen gebacken, Marmelade eingekocht und geräucherte Bauernwürste beschafft und alles in den Stiftshof gebracht. Dort füllten Anne Graf, Emmi Wacker und Petra Weth vom „Café Volle Kanne“ zuvor liebevoll mit einer roten Kanne beklebte Weihnachtstüten mit den Leckereien – obendrein noch mit Äpfeln, Mandarinen und Nüssen.
Stadtmusikdirektor intoniert auf der Trompete weihnachtliche Lieder
Zuvor waren die Familien in der Unterkunft per Handzettel in den Briefkästen über den Besuch informiert worden. Und so öffneten sich die ersten Fenster, als die langen Malertische vor den Notunterkünften aufgebaut wurden. Überhört hätte man die Martinskirchler eh nicht. Stadtmusikdirektor Markus Nau intonierte auf seiner Trompete die ersten weihnachtlichen Klänge – weltliche, kirchliche, Kinderlieder. Und so war bei Kaffee und Kuchen – Emmi Wacker allein hatte fünf gebacken – für adventlich-weihnachtliche Stimmung gesorgt. Dazu gab’s Brezeln, Lebkuchen und heißen Punsch, „Den konnten alle gut gebrauchen, denn es war bitterkalt“, berichtet Anne Graf.
Die Chefin im „Café Volle Kanne“ ist mit ihrer Gastfreundschaft und Empathie für Menschen in seelischen und materiellen Notlagen stadtbekannt ganzjährig emsig unterwegs. Berührungsängste kennt die Goldberglerin, die das Café 1999 mit aus der Taufe hob, keine. Ihr Team auch nicht.
„Die gefüllten Weihnachtstüten und die vielen guten Sachen auf den weihnachtlich geschmückten Tischen fanden dankbare Abnehmer“, strahlt sie. Und noch eine Überraschung habe es vor Ort gegeben. Die Brüder Jaran und Sören Jaskolka und deren Freunde Gabriel, Abel und Ivano von der Realschule am Klostergarten waren gekommen, um Decken und warme Socken an die bedürftigen Menschen zu verteilen. Wie die Realschüler das finanzierten? Sie hatten im Vorfeld dafür viele Pfandflaschen gesammelt!
Anne Graf: „Obwohl es nur Weihnachtspunsch und keinen Glühwein gab, wurde die Stimmung so gut, dass die Ersten ein Tänzchen wagten, was schnell Nachahmer auf den Plan rief.“ Und während vor den Häusern fröhlich gefeiert wurde, stiegen Pfarrer Manuel Hörger und Anne Graf die Treppe zu den mobilen Containereinheiten hoch und verteilten auch denjenigen Geschenktüten, denen es nicht möglich war, dabeizusein. „Eine allen Freude bringende Aktion“, sagt der Seelsorger: „für alle Beteiligten und die zahlreichen Spenderinnen und Spender.“
Über Spenden war und ist man im Treff-Café für Menschen in Notlagen stets froh. Und so war man glücklich über gleich zwei Schecks in Höhe von je 1000 Euro vom Inner-Wheel- und vom Rotary-Club Böblingen-Schönbuch. Und das, obwohl coronabedingt keine Einnahmen aus dem Weihnachtsmarkt in Sindelfingen erzielt werden konnten. „Als die Damen und Herren hörten, dass auch die Menschen am Rande der Stadt mit gut gefüllten Weihnachtstüten bedacht werden sollten, entschlossen sich die Clubs, spontan zu helfen. Das dient auch der Realisierung der Projekte und dem warmen Essen, das von Januar bis März ausgegeben wird“, schreibt Anne Graf in Dankbarkeit um diese Unterstützung für gelebte Nächstenliebe.
Den guten Geist des Heiligen Martin und Schulnamen-Patrons gelebt
Kein Zufall ist es, dass an der nach Sankt Martin benannten Martin-Förderschule ein Geist der Hilfsbereitschaft herrscht. Als Schülerinnen und Schüler auf dem Gelände des CVJM das kleine Holzhäuschen entdeckten – den „Lebensmittelpunkt“ –, war ihre Neugier geweckt. Ihre Lehrerin Ute Katrin Zabel musste den Kindern erklären, was es mit dem Häusle auf sich hat.
Die 13 Jungs und Mädels der Vierten kamen auf die Idee, ihr „Wichteln“ dorthin zu verlegen. Die Geschichte über die Heinzelmännchen aus Köln, zuvor gelesen, beflügelte ihre Fantasie. Sie bastelten in der Schule und daheim Tüten mit lieben Texten an den Finder oder die Finderin und füllten sie mit selbst gebackenen Plätzchen, Süßigkeiten und Obst. Gemeinsam stellten sie alles mit einem Spruchband auf die Regale – „voller Glückseligkeit“, wie ihre Lehrerin berichtet: „Am nächsten Tag eilten sie aufgeregt zum Häuschen und jubelten, dass alle ihre Tüten verschwunden waren.“ Für diese ihre Art liebt Ute Zabel ihre Schützlinge – und ihre Schützlinge lieben sie. Auch der Namenspatron der Schule dürfte sich wie an Weihnachten gefühlt haben.