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Atempausen für Feuerkopf

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Sindelfingen: Benefiz-Klavierabend mit Michael Kuhn im SMTT-Odeon

Brilliantes und Schlichtes, Volkstümliches mit Erdung und fantastischen Ausschweifungen hatte sich Michael Kuhn ausgesucht für seinen Benefiz-Klavierabend im Odeon der Sindelfinger Schule für Musik, Theater und Tanz (SMTT) zugunsten des Inner Wheel-Gemeindienstes Böblingen.

An dem ordentlich besuchten Abend stand einer ziemlich alleine da: Wolfgang Amadeus Mozart und seine G-Dur-Sonate aus einer frühen, sechs Sonaten umfassenden Serie. Diesem verspielten, ungetrübten Rokoko setzte der Schönaicher Pianist eine Großladung Romantik gegenüber. Fünf lyrische Stücke des norwegischen Nationalkomponisten Edvard Grieg und drei Konzeretüden des deutsch-polnischen Klaviervirtuosen Moritz Moszkowski.

Konzerthälfte Nummer Zwei war ganz für Robert Schumann reserviert mit der kleinen Arabeske und als Hauptwerk dieses Konzerts den sinfonischen Etüden Opus 13. Neben diese, teils sehr anspruchsvollen Romantikern wirkt Mozart von seiner Pianistik her geradezu einfach.

Cembalo statt Flügel

Freilich, Michael Kuhn schlägt im Eingangssatz ein sehr hohes Tempo an, womit auch dieses, noch für Cembalo komponierte Stück Glanz bekommt. Aber gerade Mozarts Kopfsatz hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck: Mit sehr ebenmäßiger Linie, ohne nachdrückliche Phrasierung und Kontraste scheint für diese Mozart-Grundierung tatsächlich das Cembalo statt des Konzertflügels Pate gestanden zu haben. Dafür ist dieser Mozart-Auftakt allerdings eine kleine Spur zu dunstig. Im langsamen Andante dagegen entlockt Michael Kuhn eine zarte Sanglichkeit, belässt der Musik aber ihre Zierlichkeit.

Es wirkt wie ein kompletter Tapetenwechsel, was mit den fünf lyrischen Stücken Griegs folgt: flatterhafte Naturbeschreibung mit „Schmetterling“, emsig-energisch werkelnde und marschierende, mal putziger (Zug der Zwerge), mal hinterlistiger (Kobold) daher kommende Fabelwesen nebst einer folklorisch eingefärbten, ausgelassenen mit stampfenden Tanzschritten garnierten Vermählungsfeier (Hochzeitstag auf Trondhaugen).

An pianistischer Brillanz war dieser Abend nicht arm, Virtuosität auf dem Silbertablett aber bescherten vor allem drei, teils eklig zu spielende Konzert-Etüden Moritz Moszkowskis. Auch wenn es komplett fehlerfreie Klavierabende kaum gibt, vor allem beim Opus 12/1 wurde über den üblichen, nicht erwähnenswerten Fehlerkorridor hinaus merklich, welch Pikanterien der in Breslau geborene Klaviergroßmeister da verbaut hat.

Drei neue Variationen

Den Schumann-Teil eröffnete Michael Kuhn mit einer subtil zwischen Bedrängung und mädchenhafter Zurückhaltung einherziehenden Arabeske, die, wie der Titel nahe legt, auch in nachdenkliche Innerlichkeit wie Exaltiertheit mit leichter Kante verfällt. Dieses typische Schumannsche Umherschweifen im Disparaten brachten auch die sinfonischen Etüden, ein halbstündiges, zu orchestraler Klangfülle anschwellendes Variationenwerk, das tendenziell freilich immer außer Atem gerät.

Für seinen Vortrag griff Michael Kuhn zu einer intelligenten Maßnahme: Er fügte aus den verschiedenen nachgelassenen Variationen in das zeitlebens vom Komponisten selbst stetig umgearbeitete Werk drei Variationen ein. Diese eher lyrischen Sätzchen verschafften wohltuende Atempausen, ohne im Ganzen den Schumannschen Feuerkopf abzulöschen.

Den Konzerterlös lässt der Inner Wheel Club verschiedenen Sindelfinger und Böblinger Schulen zukommen.